Reifenspielplatz
Momentan müssen wir uns noch etwas in Geduld üben. Etwas, was die Menschen hier mit ihrem Zeitgefühl sehr gut können, ich aber mitunter, in meinem deutschen Denken noch mehr lernen muss. Der Kunst-Container lässt noch auf sich warten. Ich weiß, dass mittlerweile alle Türen und Fenster eingebaut sind, aber wann genau er denn in der Schule ankommt, das weiß ich noch nicht. Aber was tun in dieser Zeit? Mit den Kindern in diesem sehr kleinen Raum anfangen, vielleicht ein/zwei Wochen, um dann alles wieder zu unterbrechen, weil ein Umzug stattfinden muss, in den Container? Gerade dann, wenn man in einen Rhythmus gekommen ist? Nein, das möchte ich nicht. Aber einfach nur nichts tun und warten, das möchte ich noch weniger tun.
alter Sinnespfad (2015)
Als wir mit Ukubona hier vor zwei Jahren begonnen haben, da entstand auch ein Fuß-Sinnespfad auf dem Schulgelände. Alte Autoreifen, gemalt, aneinandergereiht und mit ganz unterschiedlichen Materialien gefüllt. Eine kleine Sinnesschule für die Füße. Kinder toben herum und dabei wird so manches nicht geachtet. So also ist dieser Sinnespfad im Laufe der Zeit verschwunden. Reifen wurden für andere Spiele aus dem Pfad heraus genommen, sozusagen Zweckentfremdet. Die Stelle, an der der Pfad einst war, lag etwas brach, schrie förmlich nach Aufmerksamkeit. Der Gedanken, Reifen zu verwenden war sofort wieder da. Ukubona möchte den Blick auf das lenken, was uns alltäglich umgibt und hier in Khayelitsha liegen massenhaft alte Reifen herum, am Straßenrand oder direkt auf der Straße. Altes, das einfach liegen gelassen wird. Kann man daraus etwas neues formen? Die Kinder spielen gerne mit Reifen. Die Idee eines kleinen Spielplatzes aus Reifen war geboren. Also habe ich erst einmal viele Reifen in die Schule transportiert. Da es mitunter zu gefährlich ist, in Khayelitsha am Straßenrand zu halten, auszusteigen und die Reifen aufzusammeln, habe ich diese Reifen nun in einer Autowerkstatt bekommen. Reifen, die entsorgt worden wären. Kostenlos. Als Beispiel wunderbar. Dann habe ich angefangen zu graben, zu schaufeln und aufzubauen. Der sehr feinsandige Untergrund macht es etwas schwer, gerade auch weil es hier in Kapstadt oft sehr windig ist. Aber langsam kam ich voran. Kinder begannen zu schauen und zu mir rüber zu kommen. Was machst du da? Was wird das? Zeigst du uns, wie man hier spielen kann?
Schon am zweiten Tag hatte ich ein paar Jungs aus der fünften Klasse um mich herum, mit Spaten und Schubkarre ausgestattet. Und sie schaufelten und schaufelten. Voller Energie. Zwischendurch saßen wir zusammen und haben uns überlegt, wie das ganze denn aussehen soll. Denn die Kinder sollten das entscheiden. Ihre Schule, ihr Spielplatz. Viele kreative Köpfe waren hier versammelt, voller Freude als sie hörten, dass es ihre Verantwortung, ihre Entscheidung war. Bald schon kamen Ideen auf, wie die Reifen zu liegen oder stehen hatten, das doch eine Bank aus Reifen und Holzbrettern daneben klasse wäre, um sich auszuruhen und zuzuschauen. Vielleicht könnte man die Reifen wieder etwas bunt gestalten? Und unterschiedliche Materialien hineingeben, wie schon bei dem Sinnespfad?
An dieser Stelle auch ein warmer Dank für die Unterstützung der deutschen Freiwilligen an der Zenzeleni Schule. Es gibt von ihnen immer eine helfende Hand! Auch für die in diesem Blogeintrag gezeigten Fotos von Torben Schweighöfer!
Am nächsten Tag war unsere ganze Arbeit auseinandergenommen. Die Reifen sahen zu verführerisch aus zum spielen, andere Kinder hatten die Gelegenheit ergriffen. Eine Enttäuschung, gerade auch, weil es doch die Arbeit von den Kindern der Schule war. Die schauten auch etwas betrübt herein. An diesem Morgen machte ich einen Rundgang durch alle sieben Klassen, und stellte das ganze Projekt noch einmal ordentlich vor. Ich erklärte, was es mit den Reifen auf sich hatte und das es doch schade wäre, wenn wir das nicht zu Ende bringen würden. Ein Schulprojekt, jeder sein willkommen. Kinderaugen schauten mich voller Begeisterung und Staunen an. Ich darf helfen?
Seitdem finden sich täglich Kinder aus jeder Altersstufe am Spielplatzbau wieder, schauend oder helfend. Und das ganze nimmt Form an. Wie es wohl am Ende aussieht?
Und zwischendurch gibt es immer wieder Gesprächsmomente, in denen wir uns über Recycling, die Natur und die Idee unterhalten, aus altem neues zu gestalten. Es muss nicht immer gleich alles tolle auch kosten. Wir alle tragen Kreativität in uns, lassen wir sie raus und spielen wir mit ihr!